In Sachen Ladeleistung ist Porsche schon seit längerem spitze. Auch dank 800V-Batteriespannung lädt der aktuelle Taycan mit bis zu 320 kW. Im Windschatten des Taycan folgt nun mit dem Macan der zweite Aufschlag aus dem Porsche-Lager. Die brutto 95 kWh große Batterie soll mit einer Ladeleistung von 270 kW innerhalb von 21 Minuten von 10% auf 80% geladen werden. Wie das im Alltag funktioniert? Wir machen den Alltagstest im 1000 km Roadtrip nach Österreich.
Porsche Macan ‘Turbo’, Kälte, Winterreifen: Schlechte Voraussetzungen für die Langstrecke
Für unseren Test steht uns der Macan in der maximalen Motorisierung ‚Turbo‘ mit bis zu 639 PS zur Verfügung. Für Langstreckenfahrer eigentlich nicht die optimale Wahl, denn Porsche gibt die kombinierte Reichweite mit bis zu 590 Kilometern an, während der ‚Basis‘-Macan mit „nur“ 360 PS und einem Motor bis zu 641 Kilometer schaffen soll. Zudem liegt die Außentemperatur unter 0°C und der Testwagen steht auf Winterreifen. Beides sollte sich also negativ auf die reale Reichweite auswirken.
Wir starten außerdem denkbar schlecht vorbereitet: Da wir nicht zuhause laden können, beginnen wir unseren Test mit knapp 40% Akkustand und vollständig ausgekühltem Innenraum und Akku, was den Verbrauch auf den ersten Kilometern ebenfalls deutlich erhöhen wird.
Richten soll es für uns der Porsche Charging Planer, der automatisch Ladestopps samt Ladeziel und Standzeit einplant. Bei unserem letzten Test des Taycan Turbo S ließ uns dieser zwar teilweise im Stich, aber das ist auch schon einige Tage her.
Wir starten um Punkt sieben Uhr in der Nähe von Nürnberg. Der Macan berechnet für die 485 Kilometer eine Fahrzeit von fünf Stunden und 27 Minuten, inklusive dreier Ladestopps von acht, zehn und vierzehn Minuten. Würden wir mit vollem Akku starten, so würde uns wahrscheinlich ein Ladestopp genügen. Aber wir wollen es dem Porsche Macan ja nicht zu einfach machen. Und da wir ja einen Porsche fahren, schleichen wir auch nicht mit Tempo 100 auf der linken Spur, sondern fahren zügig zwischen 130 und 160, wie es der Verkehr und das Tempolimit zulassen. Hilfreich ist dabei auch das ‘InnoDrive-Paket’ (1607€), das wir hier im Video getestet haben.
Kaffee & laden: Kaum Zeitverlust im Porsche Macan
Unseren Stopp plant uns der Porsche Macan nach gut 60 Kilometern an einer 300 kW Säule ein. Wir stecken den Macan an und die Ladeleistung steigt sofort auf 210 kW. Bis wir uns im benachbarten Schnellrestaurant einen Cappuccino gekauft haben ist unser Zielladestand von knapp 50% schon erreicht und wir können uns schon wieder auf den Weg machen. Der Google-Standortverlauf verrät uns später, dass wir zwölf Minuten gehalten haben.
Als nächstes plant uns der Macan einen Halt bei Ionity in Passau ein, gut 150 Kilometer entfernt. Hier zeigt sich dann der große Vorteil der Ionity-Säulen, speziell bei Fahrzeugen mit hoher Ladeleistung wie dem Porsche Macan: Jede Säule lädt mit bis zu 350 kW und die Ladeleistung muss nicht mit möglichen anderen Fahrzeugen geteilt werden. Dieses Schicksal ereilt uns an unserem letzten Ladestopp bei Enbw in Amstetten. Hier müssen wir zwei Minuten warten, bevor wir uns eine Ladesäule mit einem BMW iX1 teilen dürfen und deswegen nur 150 kW bekommen. An sich kein Problem, doch mit den 270 kW Ladeleistung des Macan im Hinterkopf trotzdem ärgerlich.
Trotz des etwa 20 minütigen Halt in Amstetten erreichen wir um 12:25 Uhr unser Ziel in Wien und sind damit zwei Minuten schneller als von Porsche zu Beginn prognostiziert.
Ladeinfrastruktur: Wenn aus 10 Minuten 20 werden…
Weniger glücklich dagegen der Rückweg. Wir treten die Heimreise am Sonntagnachmittag nach Bamberg an. Unser erster Stopp soll aufgrund der hohen Ladeleistung Ionity mit vier Ladepunkten in Steinhäusl sein. Diesen Halt hat uns wieder die Porsche Ladeplanung eingebaut, die lieber öfter und dafür kürzer lädt. Bei unserer Ankunft sind leider alle Ladepunkte belegt, sodass wir etwa fünf Minuten warten müssen. Sofern kein Beinbruch, aber natürlich trotzdem ärgerlich.
Immerhin haben wir Glück im Unglück, dann kurz nach uns stellen sich noch zwei weitere Fahrzeug zu laden an. Von unserem Platz in der ersten Reihe können wir beobachten, wie ein Hyundai Ioniq 5-Fahrer mit dem Abstecken seines Fahrzeugs kämpft. Ein Telefonat scheint das Problem zu lösen, allerdings startet die Säule gerade neu, als wir den Platz belegen, sodass wir nochmal einige Minuten warten müssen, bis unser Ladevorgang startet. So werden aus unserer Zehn-Minuten-Pause zwanzig Minuten. Einziger Lichtblick: Unser Porsche Macan lädt hier wieder auf Anhieb mit 270 kW.
Geteilte Leistung & lahme Säulen: Im Porsche Macan besonders ärgerlich
Auch beim zweiten Halt bei Shell Recharge Strengberg läuft ziemlich viel schief. Auf der Anfahrt sieht erstmal Alles gut aus. Das Porsche-Navi verspricht acht Ladepunkte mit bis zu 360 kW, damit sollten wir auch bei geteilter Leistung (zwei Autos teilen sich hier eine Säule) noch immer ausreichende 180 kW bekommen. Doch in der Realität werden wir enttäuscht. Die erste Säule, die wir ansteuern, verweigert den Dienst. Also teilen wir uns eine Säule mit einem Audi Q4 e-tron und dümpeln dann mit lahmen 100 kW herum. Nach fünf Minuten und selbstständiger Recherche beschließen wir etwa zehn Kilometer weiter Ionity St. Valentin anzusteuern. Also haben wir auch hier bei Shell Recharge wieder über 15 Minuten Zeit verschwendet. Das nervt.
So peilen wir nach knapp 160 Kilometern Strecke bereits die dritte Ladesäule an. Klar hätte wir den Porsche Macan auch in Wien entspannt mit 11 kW laden können, allerdings wollten wir einerseits unseren Testwagen mit Listenpreis 140.000€ nicht einfach an der Straße parken und andererseits hatten wir auch keine Lust uns mit den örtlichen Lademöglichkeiten, sowie den zugehörigen Apps und Ladetarifen samt Blockiergebühr zu beschäftigen. Das macht bei einem Verbrenner ja vermutlich auch niemand – hier wird getankt, wenn es notwendig ist.
Zurück zur Ionity St. Valentin. Da die benachbarte OMV-Tankstelle zum Zeitpunkt unseres Test im Umbau ist, müssen wir die Zufahrt zur Ladesäule erst suchen, die Ladesäule liefert dann aber immerhin zuverlässig die maximale Ladeleistung von 270 kW.
Etwas frustriert von unseren Erfahrungen wollen wir nun etwas Strecke machen und laden unseren Macan auf knapp 80%. So können wir zurück in Deutschland auch einige Zeit über 200 Fahren. Hier zeigen sich dann wieder die Sonnenseiten der Elektromobilität. Der Macan Turbo beschleunigt ansatzlos und auch jenseits der 180 nachdrücklich, dazu ist das Innenraumgeräusch angenehm gering.
Am zuverlässigsten laden wir bei Ionity
Die Ionity-Säule im Bayerischen Wald funktioniert dann endlich wieder wie versprochen. Wir laden in fünf Minuten 100 Kilometer echte Reichweite nach. Bis wir von der Toilette zurückkommen ist unser Macan Turbo schon fast wieder bereit für die Abfahrt. Hier haben wir zu einem klassischen Tankstopp mit Toilettenpause also maximal fünf Minuten Zeit verloren.
Die letzten gut 190 Kilometer bringen wir dann mit Tempomat zu Ende. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 129 km/h zeigt uns der Bordcomputer einen Energieumsatz von 28,9 kWh/100km an. Das wirkt auf den ersten Blick nicht rekordverdächtig niedrig, in Anbetracht von Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Winterreifen aber durchaus annehmbar. Im Sommer dürfte der Verbrauch schätzungsweise bei 23 bis 25 kWh/100 liegen.
Fazit & Erkenntnisse zur Langstrecke im elektrischen Macan
Was haben wir auf unserem Langstreckentest des Porsche Macan Turbo gelernt? Nun, der Macan Turbo ist ein exzellentes Langstreckenfahrzeug mit einer rekordverdächtigen, zuverlässigen Ladeleistung. Das gilt allerdings nur, wenn man sich an die Ladepunkte von Ionity hält, an denen man sich die Ladeleistung nicht teilen muss.
Auch wenn wir diesen Test bewusst blauäugig angetreten sind und unseren Testwagen zweimal zu Fahrtantritt nicht vollgeladen haben: Mit einem Verbrenner hätten wir die Strecke – insbesondere den Rückweg – entspannter und schneller bewältigt. Der Grund ist die noch immer nicht optimale Infrastruktur. Bei uns im Test mangelte es hierbei vor allem an der Anzahl an Ladepunkten (Merke: Mindestens vier Ladepunkte, besser mehr sollten es schon sein) und an der nicht erbrachten Ladeleistung der Säulen. Auch ein Ausbau von AC-Ladepunkten im von uns gewählten Parkhaus hätte uns sehr geholfen. Da wir unser Hotel aber nicht nach „Anzahl der AC-Ladeplätze“ sondern nach Komfortaspekten wählen (wie das vermutlich jeder Verbrenner-Fahrer auch tun würde) wünschen wir uns hier einen verstärkten Ausbau.
Assistenzsysteme im Langstreckentest
Matthias hat die Assistenzsysteme (insb. InnoDrive und Augmented Reality Head-up-Display) ebenfalls auf einer langen Strecke im Detail testen können: